Der Angriff über den Rhein
Am Abend des 23. und am 24. März 1945 setzen britische und amerikanische Truppen in Schwimmpanzern und Sturmbooten über den Rhein. Sie greifen die deutschen Verteidiger bei Wesel, Bislich, Rees sowie zwischen Spellen und Dinslaken an.
Am 23. März 1945 um 17 Uhr eröffneten 1300 britische Geschütze das Feuer auf die deutschen Truppen, die den rechten Niederrhein verteidigen sollten. Diese Kanonade markierte den Auftakt eines Großangriffs, der auf deutscher Seite als „Rheinübergang“ bezeichnet wurde und von den Alliierten den Code-Namen „Operation Plunder“ bekam. 250.000 Mann an Kampftruppen standen auf alliierter Seite bereit, ihnen gegenüber lagen 70.000 deutsche Soldaten in Rheinnähe sowie 30.000 Mann als Reserve im Raum Bocholt. Die Offensive begann bei Rees – dort überquerten ab 21 Uhr Einheiten der 51. Schottischen Hochland-Division in amphibischen Transportpanzern („Buffalos“) den Fluss. Zunächst galt es, auf der rechten Rheinseite einen „Brückenkopf“ zu erobern – das heißt, sie mussten auf feindlichem Territorium ein begrenztes Areal erobern, um dort ein sicheres Anlanden von eigenen Verstärkungen zu ermöglichen. Außerdem sollten als Verbindung zu diesem Brückenkopf mehrere Behelfsbrücken über den Fluss gebaut werden. In der ersten Angriffswelle setzten sieben Bataillone über den Rhein, jedes Bataillon umfasste etwa 600 bis 800 Mann. Auch schwimmfähige Kampfpanzer („Sherman DD-Tanks“) überquerten bei Rees mit eigener Kraft über den Rhein. Dann folgte der nächste Schlag der Alliierten – bei Wesel setzten ab 22 Uhr 1800 britische „Commando“-Soldaten in „Buffalo“-Transportpanzern über den Rhein und sammelten sich auf der Grav-Insel. Eine halbe Stunde später erfolgte ein Luftangriff von 195 Bombern auf die Ruinen von Wesel. Danach rückten die britischen Spezialeinheiten, „Commandos“ genannt, auf Wesel vor. Die Stadt war zwar von den Deutschen zur „Festung“ erklärt worden, wurde aber von zusammengewürfelten deutschen Truppenteilen nur schwach verteidigt.
Auf breiter Front über den Fluss
Wenige Stunden später folgten weitere Angriffe. Bei Bislich überschritten am 24. März 1945 um 2 Uhr morgens sieben Bataillone der 15. Schottischen Division in „Buffalo“-Transportpanzern den Rhein. Auch hier kamen schwimmfähige Kampfpanzer zum Einsatz, die mit eigenem Antrieb den Fluss überqueren sollten. Gleichzeitig griffen bei Wallach, Ossenberg, Rheinberg-Eversael und Orsoy Einheiten der 30. und der 79. US-Division über den Rhein an – zuvor hatten 600 amerikanische Geschütze das gegenüberliegende Ufer eine Stunde lang mit Trommelfeuer beschossen. Danach überwanden vier amerikanische Bataillone den Fluss in Sturmbooten – auch in diesen Frontabschnitten sollten sie jeweils eigene Brückenköpfe erkämpfen.
Derweil wurde in Rees der gerade erst eroberte Brückenkopf fortlaufend von deutscher Artillerie beschossen. Die Truppen, die auf die Stadt Rees vorgerückt waren, trafen in den Ruinen der Stadt auf Soldaten der deutschen 8. Fallschirmjägerdivision und wurden in Straßen- und Häuserkämpfe verwickelt. Nördlich von Rees, bei Bienen, unternahmen am Morgen des 24. März einige Einheiten der deutschen 15. Panzergrenadierdivision mit gepanzerten Fahrzeugen und Jagdpanzern einen Gegenangriff gegen den noch kleinen britischen Brückenkopf auf der Reeserward. Als Reaktion darauf beschoss vom linken Rheinufer britische Artillerie die deutschen Angreifer, die sich daraufhin in den Bereich um Bienen zurückziehen mussten.
Zu diesem Zeitpunkt war Wesel bereits von britischen „Commandos“ erobert und Bislich von schottischen Truppen eingenommen worden. Doch im Bereich um den Diersfordter Wald leisteten die Soldaten der hier eingesetzten deutschen 84. Infanteriedivision weiterhin Widerstand. Am Rhein, auf der Höhe von Mehr, kämpften derweil schottische Einheiten gegen Soldaten der deutschen 7. Fallschirmjägerdivision, die sich hinhaltend zur Wehr setzten. Dennoch gelang es den Briten, im Brückenkopf bei Bislich auf Pontonfähren erste Fahrzeuge über den Rhein zu bringen und mit dem Bau von drei Pontonbrücken über den Rhein zu beginnen. Ihnen kam zugute, dass am Vormittag des 24. März zwei alliierte Luftlandedivisionen mit fast 20.000 Soldaten an Fallschirmen und in Lastenseglern im Gebiet zwischen Wesel, Hamminkeln und Mehrhoog landeten – die deutsche 84. Infanteriedivision hatte nun auch gegnerische Soldaten in ihrem Rücken, gegen die sie sich zur Wehr setzen musste.
Der Bau von Ponton-Brücken
Südlich der Lippe eroberten amerikanische Truppen der 30. Infanteriedivision an diesem 24. März Möllen und Friedrichsfeld, außerdem rückten sie in Richtung Bruckhausen vor. Einheiten der 79. US-Infanteriedivision gelang es, bis zum späten Nachmittag die Hälfte von Dinslaken einzunehmen. Der Widerstand der deutschen Verteidiger war in diesen Frontabschnitten sehr gering. Bei Wallach begannen US-Pioniere mit dem Bau einer Pontonbrücke über den Rhein. Diese Brücke war um 16 Uhr fertig und hätte die erste einsatzbereite alliierte Brücke am Niederrhein sein können. Doch ein von der Strömung abgetriebenes US-Landungsboot prallte gegen die Konstruktion und machte sie vorläufig unbrauchbar. Auch die Inbetriebnahme zwei weiterer US-Brücken wurde an diesem Tag durch ähnliche Unfälle und durch Beschuss verzögert. Im Rheinbogen bei Rheinberg begannen US Pioniere den Bau von drei Pontonbrücken über den Rhein, die nach Mehrum und Eppinghoven führen sollten. Weiter stromabwärts, in Bislich, konnte am 25. März um 16.30 Uhr eine britische Pontonbrücke fertiggestellt werden – sie war damit die erste betriebsbereite Rheinbrücke der Alliierten und führte von Xanten-Beek zum Bislicher Fährkopf.
An diesem 25. März hatten die Briten bei Rees noch immer Probleme, die Stadt einzunehmen und ihren Brückenkopf auszudehnen. Der Bau einer ersten Pontonbrücke war am Vortag begonnen worden, doch sie konnte nicht fertig gestellt werden, da der Frontabschnitt von deutscher Artillerie beschossen wurde. Kampferfahrene deutsche Fallschirmjägereinheiten verteidigten sich zudem weiterhin in den Ruinen der Stadt Rees, die schottischen Angreifer rückten nur langsam vor. Bei Bienen und Speldrop hielten deutsche Soldaten, unterstützt von Jagdpanzern, den Vormarsch der Schotten ebenfalls auf. Deswegen setzten Einheiten der 3. Kanadischen Infanteriedivision über den Rhein, um im Frontabschnitt bei Bienen einen Durchbruch zu erzielen. Zusätzlich überquerte ein britisches Panzerbataillon stromabwärts von Rees auf Pontonfähren den Rhein und unterstützte die angreifenden Kanadier. Auch bei Speldrop griffen kanadische Soldaten in die Kämpfe ein, während schottische Truppen in Groin, südlich von Rees an der Reichsstraße 8 gelegen, in schwere Kämpfe verwickelt waren.
Erste Vorstöße
Von Bergerfurth war schon am Morgen des 25. März eine mobile Kampfgruppe, bestehend aus Panzern und schottischer Infanterie, durch den Diersfordter Wald in Richtung Osten vorgerückt. Sie sollte einen Übergang über die Issel erzwingen, stieß jedoch auf starken Widerstand, denn deutsche Verstärkungen der „Kampfgruppe Kaarst“ waren östlich der Issel eingetroffen. Im amerikanischen Frontabschnitt bei Spellen gingen am Abend des 25. März zwei Kampfgruppen der 30. US-Infanteriedivision mit Unterstützung von Panzern südlich der Lippe in Richtung Osten vor. Ein Bataillon der 8. US-Panzerdivision hatte am Vortag auf Landungsbooten den Rhein überquert. Der Auftrag der Kampfgruppen war die Einnahme von Dorsten. Doch die Amerikaner stießen auf den Widerstand der Reste der deutschen 116. Panzerdivision sowie der 15. Panzergrenadierdivision. Andere US-Einheiten hatten inzwischen Lohberg besetzt und waren bis zur Autobahntrasse der heutigen A 3 vorgerückt.
Am 26. März war die mobile Kampfgruppe, die aus Bergerfurth vorgerückt war, südlich von Loikum noch immer in schwere Kämpfe verwickelt. Der Übergang über die Issel und der Bau einer Behelfsbrücke wurden dadurch verzögert. Erfolg hatten die Angreifer bei Ringenberg - Einheiten der aus Bislich vom Rhein nachgerückten 52. Schottischen Infanteriedivision eroberten das Dorf bis zum Abend. Ein Erfolg zeichnete sich auch in Rees ab. Dort endeten die Kämpfe um die Ruinen der Stadt am Morgen des 26. März, als schottische Soldaten die letzten Verteidiger gefangen nahmen. Zudem konnte die Ortschaft Groin erobert werden, damit war für die Alliierten der Weg über die Reichsstraße 8 in Richtung Haldern frei. Auch in Richtung Emmerich war die Reichsstraße 8 inzwischen unter alliierter Kontrolle, denn die Kanadier hatten nach verlustreichen Kämpfen Bienen erobert. Erfolge gab es am 26. März auch weiter südlich, am amerikanischen Frontabschnitt: US-Truppen der 30. Infanteriedivision und der 8. US-Panzerdivision drängten östlich von Hünxe die Einheiten der deutschen 116. Panzerdivision bis nach Gahlen zurück.
Ausbruch nach Norden und Osten
Am 27. März begann dann der „Ausbruch“ der alliierten Truppen aus den inzwischen vereinigten rechtsrheinischen Brückenköpfen. Am Morgen dieses Tages war die Brücke über die Issel bei Loikum fertiggestellt und nachrückende britische Einheiten konnten in Richtung Bocholt angreifen. Ein anderer Stoßkeil führte über Brünen nach Raesfeld und Borken. Soldaten der 17. US-Luftlandedivision rückten entlang der heutigen B 58 Richtung Haltern und Münster vor. Südlich der Lippe kämpfte die 30. US-Infanteriedivision, um einen Durchbruch in Richtung Dorsten zu erreichen. Aus dem Frontabschnitt bei Rees erfolgte ebenfalls ein Ausbruch – am 28. März besetzten britische Truppen kampflos Haldern, um dann nach Isselburg vorzustoßen. Von Bienen aus griffen kanadische Soldaten entlang der heutigen B8 an, um das Stadtgebiet von Emmerich zu erobern. Die Stadt galt als Verkehrszentrum und musste eingenommen werden, um auch dort den Bau von Brücken über den Rhein zu ermöglichen – die Kämpfe um Emmerich sollten sich bis zum Morgen des 31. März hinziehen. Schon ab dem 27. März hatten sich die Kämpfe von den Gebieten der Städte Wesel, Rees und Dinslaken in Richtung Osten und Norden verlagert, da die deutschen Einheiten, die nicht zerschlagen wurden, vor den Alliierten zurückweichen mussten.