Der Angriff aus der Luft
Am 24. März 1945 landen im Bereich zwischen Wesel, Hamminkeln und Mehrhoog fast 20.000 alliierte Soldaten an Fallschirmen und in 1300 Lastenseglern. Der Angriff mit dem Codenamen „Operation Varsity“ gilt als die größte Luftlandung der Geschichte.
Starts in England und Frankreich
Am 24. März 1945 hoben ab 6.00 Uhr auf Flugplätzen in Großbritannien 440 Lastensegler-Gespanne ab – an Bord hatten sie 3383 Soldaten sowie Fahrzeuge, Geschütze und Material der britischen 6. Luftlande-Division. Unmittelbar danach starteten auf Fliegerhorsten in Südengland 322 amerikanische Transportmaschinen mit 3837 Fallschirmjägern dieser Division. Ab 7.25 Uhr begannen auf Feldflugplätzen im Großraum um Paris die Starts von 298 amerikanischen Transportmaschinen. Sie sollten 4890 Fallschirmjäger der amerikanischen 17. Luftlandedivision ins Gefecht tragen. Ab 7.45 Uhr rollten in Frankreich 906 amerikanische Lastenseglergespanne an den Start – sie transportierten 4810 Soldaten sowie Fahrzeuge, Geschütze und Material der 17. US-Luftlandedivision. Insgesamt näherten sich an diesem Samstagmorgen – inklusive der Lastenseglerpiloten – 19.612 alliierte Soldaten dem Niederrhein. Ihr Ziel waren mehrere Absprung- und Landezonen im Dreieck zwischen Wesel, Hamminkeln und Mehrhoog. Unter dem Code-Namen „Operation Varsity“ sah dieser Angriff vor, rund um den Diersfordter Wald im Rücken der deutschen Verteidiger zu landen, Brücken über die Issel zu erobern und zu sichern sowie den Verkehrsknotenpunkt Hamminkeln einzunehmen. Diese Luftlandung von gewaltigen Ausmaßen sollte die Brückenköpfe, die britische Bodentruppen bei Wesel und Bislich bereits erkämpft hatten, schlagartig erweitern, vertiefen und stabilisieren. Den alliierten Luftlandetruppen gegenüber standen etwa 8000 Mann der deutschen 84. Infanterie-Division, die diesen Frontabschnitt verteidigen sollten, sowie Teile der deutschen 7. Fallschirmjägerdivision, die im Bereich zwischen Bergerfurth, Mehrhoog und Haldern Stellungen bezogen hatten.
Landung auf feindlichem Gebiet
Ab 9.50 Uhr sprangen die Soldaten des amerikanischen 507. Fallschirmjägerregiments bei Diersfordt und Flüren ab. Alle Absprungzonen waren mit einem Buchstaben benannt – die bei Flüren hatte den Codenamen „W“. Ein Teil der Amerikaner verfehlte jedoch die Zone „W“, landete versehentlich bei Diersfordt und nahm von dort den Kampf auf. Ab 9.51 Uhr gingen zwischen Bergerfurth und Mehrhoog die Soldaten der britischen 3. Fallschirmjägerbrigade über der Absprungzone „A“ nieder, es folgten die Absprünge der Soldaten der britischen 5. Fallschirmjägerbrigade über der LZ „B“ zwischen Mehrhoog und Hamminkeln. Ab 10.08 Uhr landeten die Soldaten des amerikanischen 513. Fallschirmjägerregiments bei Hamminkeln – sie hatten ihre Landezone „X“ verfehlt und fanden sich auf der Landezone „P“ wieder, die eigentlich für britische Lastensegler vorgesehen war. Überall empfingen die deutschen Verteidiger Fallschirmjäger mit starkem Abwehrfeuer. Um 10.11 Uhr begannen die ersten britischen Lastensegler ihre Landungen auf den für sie vorgesehenen Landezonen „O“, „R“ und „U“ rund um Hamminkeln. An der Issel bei Hamminkeln sollten Einheiten britischen 6. Luftlandebrigade im Handstreich einige Brücken besetzen und sichern. Auf der Landezone „P“, westlich von Hamminkeln, gingen zudem britische Lastensegler mit Unterstützungstruppen, Fahrzeugen, Geschützen und Nachschub nieder. Auf allen Landezonen waren die Lastensegler feindlichem Beschuss ausgesetzt. Es gab Abstürze, manche gerieten in Brand, viele wurden durch Bruchlandungen beschädigt oder zerstört, doch den meisten gelang die Landung – damit waren Soldaten und Fracht schnell einsatzbereit für den Kampf. Auf der Landezone „S“, nordöstlich von Wesel bei Blumenkamp, Lackhausen und Obrighoven, landeten ab 10.36 Uhr fast 600 amerikanische Lastensegler. Sie trugen das 194. Luftlande-Infantrie-Regiment und zwei Artillerie-Bataillone mit insgesamt 3492 Mann ins Gefecht, dazu auch 200 Jeeps sowie Anhänger und Geschütze. Auf der Landezone „N“, südwestlich von Hamminkeln, setzten sich die Landungen von fast 300 US-Lastenseglern bis kurz vor 13 Uhr fort. Hier sollten über 1300 Mann, 143 Jeeps, dazu Anhänger und 20 Geschütze landen. Zahlreiche amerikanische Lastensegler wurden durch Beschuss oder bei Bruchlandungen beschädigt oder zerstört. Nach dem Abschluss der Luftlandung erfolgte gegen 13 Uhr der letzte Akt: 240 amerikanische B-24 „Liberator“-Bomber näherten sich im Tiefflug den Landezonen und warfen 600 Tonnen an Nachschubgütern ab. 17 dieser Bomber wurden durch deutschen Beschuss so schwer beschädigt, dass sie abstürzten oder bei Notlandungen zerstört wurden. Schon zuvor waren auch 50 US-Transportmaschinen durch Abwehrfeuer getroffen worden und abgestürzt. Einige schafften es, westlich des Rheins notzulanden.
Die Luftlandung in Bildern
Schnelle Erfolge
Am Nachmittag begann der deutsche Widerstand auf den Landezonen nachzulassen, doch die Deutschen konnten vorläufig noch das Gebiet östlich der Issel halten. Um 15.30 Uhr stellten die Luftlandetruppen und die Bodentruppen einen ersten Kontakt her. Von Bislich kommende britische Soldaten und Panzer trafen in Bergerfurth auf die dort gelandeten britischen und kanadischen Fallschirmjäger. Im Bereich „Auf dem Mars“, der zwischen Bislich und Flüren liegt, trafen schottische Bodentruppen auf amerikanische Fallschirmjäger. An den Rändern der Landezonen erfolgten am Nachmittag und am Abend schwache Gegenangriffe der Deutschen, doch die alliierten Luftlandetruppen sicherten erfolgreich die Gebiete, die sie erobert hatten. Schon am Nachmittag hatte die Sanitätskompanie der 17. US-Luftlandedivision auf der Landezone „N“, im Gebiet Heiderott südwestlich von Hamminkeln ein Feldlazarett in Zelten in Betrieb genommen. Am nächsten Tag marschierten die Lastenseglerpiloten nach Bislich zum Rhein – an der Front wurden sie nicht mehr gebraucht. Ihre letzte Aufgabe war, auf dem Weg zum Rhein lange Kolonnen von gefangenen deutschen Soldaten zu bewachen und sie ins linksrheinische Hinterland der Alliierten zu bringen. Die britischen, kanadischen und amerikanischen Luftlandetruppen hielten im Bereich zwischen Mehrhoog, Hamminkeln und Wesel ihre Stellungen, die Einheiten ordneten ihre Reihen. Bis zum folgenden Tag rückten sie die Bereitstellungsräume für den Ausbruch aus dem Brückenkopf vor. Schon am 26. März griffen Einheiten der britischen 6. Luftlandedivision in Richtung Brünen an. Am 27. März bildete bei Wesel das 513. US-Fallschirmjäger-Regiment zusammen mit britischen Panzern, die auf Pontonbrücken den Rhein überquert hatten, einen mobilen Kampfverband. Dieser rückte ab dem Nachmittag entlang der Reichsstraße 58 vor – geplant war, über Schermbeck, Haltern und Dülmen nach Münster vorzustoßen.
Hohe Verluste
Bei der „Operation Varsity“ waren alle Truppen an einem Tag abgesetzt worden – damit gilt sie als die größte zusammenhängende Luftlandung der Geschichte. Sie wurde von den alliierten Planern als Erfolg gesehen, da sie alle ihre militärischen Ziele erreicht hatte. Die deutsche 84. Infanteriedivision, die den Raum Bislich, Hamminkeln, Diersfordt, Flüren sowie den Diersfordter Wald verteidigen sollte, war durch die Luftlandung zerschlagen worden – wer nicht getötet wurde, geriet in die Kriegsgefangenschaft. Doch ihre Gegner hatten den Erfolg teuer bezahlt – bei der Luftlandung starben zwischen dem 24. und 26. März 1945 insgesamt 1513 alliierte Soldaten. Davon waren auf britischer Seite 691 Tote zu beklagen, darin eingeschlossen sind auch die Soldaten eines kanadischen Fallschirmjäger-Bataillons sowie die Verluste unter den Lastenseglerpiloten und den Piloten der Schleppflugzeuge. Zudem starben bei der Luftlandung insgesamt 822 amerikanische Soldaten. Die Zahl setzt sich zusammen aus 532 Toten der 17. US-Luftlande-Division, die bis einschließlich 26. März 1945 uns Leben kamen oder kurz darauf an ihren Verletzungen starben. Dazu kamen 79 US-Lastenseglerpiloten, die bei den Landungen oder anschließenden Kämpfen getötet wurden. Durch die Abschüsse und Abstürze von 50 amerikanischen Transportmaschinen wurden 98 Besatzungsmitglieder getötet, 113 Besatzungsmitglieder starben beim Abstürzen von amerikanischen Bombern während des Nachschubabwurfs über den Landezonen.