Die Zerstörung der Stadt Wesel
Im Februar 1945 zerstören amerikanische und britische Bomber in mehreren Angriffen die Stadt Wesel. Die Alliierten betrachten die Stadt als Verkehrsknotenpunkt und als militärisch wichtiges Ziel, da deutsche Truppen die Weseler Rheinbrücken nutzen.
Im Februar 1945 begann auf dem linken Niederrhein die Großoffensive alliierter Bodentruppen – Wesel wurde damit für das Kriegsgeschehen an der Westfront militärisch bedeutsam. Zwischen Duisburg und Nimwegen/Arnheim gab es nur in Wesel Brücken über den Rhein. Deshalb galt die Stadt – sowohl für die Wehrmacht wie auch für die Alliierten – als der wichtigste Verkehrsknotenpunkt am Niederrhein. Schon am 1. Februar 1945 griffen 139 viermotorige amerikanische Bomber die Weseler Eisenbahnbrücke und die Straßenbrücke an, trafen aber auch das Stadtgebiet. Unter der Bevölkerung gab es 14 Tote und zahlreiche Verletzte. Wegen der nun greifbaren Gefahr verließen viele Weseler die Stadt. Zwei Wochen später, am 14. Februar, traf es Wesel erneut. 37 US-Bomber griffen die Weseler Rheinbabenbrücke an, dabei brach der in Richtung Büderich gelegene Teil der Straßenbrücke nach Bombentreffern ein.
Der „schwarze Freitag“
Am 16. Februar, erlebte Wesel seinen „schwarzen Freitag“. 63 US-Bomber flogen gegen 11.30 Uhr einen ersten Angriff, ihr Ziel waren zunächst wieder die Rheinbrücken, doch auch die Stadt wurde schwer getroffen. Daraufhin floh der größte Teil der verbliebenen Bevölkerung aus Wesel. Gegen 15 Uhr meldeten die Sirenen „Entwarnung“, eine Stunde später begann ein Großangriff von einhundert Bombern der Royal Air Force. Sie zerstörten die Stadt zu großen Teilen. In der Nacht entwickelten sich Großbrände in den Ruinen, immer wieder explodierten Zeitzünder-Bomben. In Wesel waren an diesem Tag 322 Einwohner ums Leben gekommen, dazu fielen auch etwa einhundert deutsche Soldaten dem Bombardement zum Opfer. Am folgenden Tag versuchten Helfer, verschüttete Menschen zu retten und Leichen zu bergen. Patienten aus dem zerstörten Weseler Marienhospital wurden in die Krankenhäuser Dinslaken, Walsum, Hamborn und Sterkrade transportiert. An diesem Tag war ein erneuter Angriff der britischen Luftwaffe auf Wesel vorgesehen, doch die 298 britischen Bomber erhielten während des Anflugs den Befehl, den Einsatz abzubrechen, da die Stadt unter einer geschlossenen niedrigen Wolkendecke lag und eine Zielfindung damit unmöglich war.
Am Sonntag, 18. Februar, traf gegen 15 Uhr ein weiterer schwerer Bombenangriff von 160 britischen Bombern die Ruinen der Stadt Wesel. Die Hilfskräfte wurden von diesem Angriff überrascht, 46 Menschen starben. Am Abend brannte die zerstörte Stadt erneut, wieder waren Explosionen von Zeitzünder-Bomben zu hören. Auch am folgenden Tag wurde die weitgehend verlassene Stadt gegen 15.30 Uhr zum Ziel eines schweren Bombenangriffs von 168 britischen Bombern, dabei starben 23 Menschen. 68 US-Bomber griffen zudem die Weseler Eisenbahnbrücke an, doch es gelang nicht, sie zu zerstören. Schon an diesem 19. Februar begann in Wesel die Beerdigung der Bombenopfer, sie sollte sich über die folgenden Tage und Wochen hinziehen. Die Polizei bemühte sich vor den Bestattungen um die Identifizierung der Toten, die schließlich in vier Massengräbern beerdigt wurden.
Bomben auf die Eisenbahnbrücke
Fünf Tage später, am 24. Februar, war wieder die Weseler Eisenbahnbrücke das Ziel von 70 US-Bombern, wiederum gelang es ihnen nicht, sie zu zerstören. Bis Anfang März 1945 rückte das Kampfgebiet auf dem linken Niederrhein immer näher an die Weseler Brücken heran. Auf der linken Rheinseite verteidigten die Deutschen den sogenannten „Brückenkopf Wesel“ mit der noch immer intakten Eisenbahnbrücke, weiterhin konnte sie von deutschen Fahrzeugen genutzt werden. Da auch im Stadtgebiet deutsche Truppenbewegungen und Fahrzeugkolonnen beobachtet wurden, griffen 48 leichte britische Bomber vom Typ „Mosquito“ am 6. März Wesel an. In der Nacht auf den 7. März setzten die Briten diese Angriffe fort, 87 Bomber der Royal Air Force bombardierten die Stadt, danach waren noch einmal 51 leichte Bomber im Einsatz. Schließlich wurde die Weseler Eisenbahnbrücke von der deutschen Wehrmacht am 10. März gesprengt, nachdem sie ihre Truppen endgültig vom „Brückenkopf Wesel“ auf die rechte Rheinseite zurückgezogen hatte. Am 23. März 1945 um 17 Uhr warfen 90 britischen Bomber ihre Last über den Ruinen von Wesel ab - damit bereiteten sie den Angriff alliierter Bodentruppen vor. Um 22.30 Uhr erfolgte ein weiterer Luftangriff von 195 Bombern. Kurz darauf rücken britische Spezialeinheiten, sogenannte „Commandos“ von der Grav-Insel auf die vollkommen zerstörte Stadt vor und eroberten sie am 24. März 1945.
Die Bilanz des Schreckens
So weit bekannt ist, starben bei Bombenangriffen auf die Stadt Wesel insgesamt 562 Zivilisten, dazu kamen noch etwa 150 deutsche Soldaten sowie eine nicht bekannte Anzahl an zivilen Zwangsarbeitern, die aus der Sowjetunion und Polen nach Deutschland verschleppt worden waren. Die Stadt Wesel war – bis auf einige Außenbezirke – vollständig zerstört. Ende März 1945 harrten in Wesel noch etwa 3500 Bewohner aus, im Mai 1945 waren es nur noch 1900 Menschen. Kurz vor dem Zeiten Weltkrieg hatte die Stadt fast 25.000 Einwohner gezählt. Von 8199 Wohneinheiten im Jahr 1939 existierten Ende 1945 nur noch 506 – es gab in Wesel nach der Zerstörung also nur noch etwa sechs Prozent des vor dem Krieg verfügbaren Wohnraums. Der Krieg hatte das die Innenstadt innerhalb des Rings ausgelöscht – dieser zu 97 Prozent zerstörte Bereich war das dicht bebaute Kerngebiet der Stadt, die über Jahrhunderte von Festungsmauern in ihrer Ausdehnung beschränkt war. Wesel gehörte am Ende des Zweiten Weltkriegs zu den am schwersten zerstörten Städten Deutschlands. Ein Gedenkbuch, das 1961 veröffentlicht wurde, trug den Titel „Der Untergang der Stadt Wesel im Jahr 1945“ - doch zu diesem Zeitpunkt war der Wiederaufbau bereits weitgehend vollzogen. Nach dem Krieg galt es, schnell Wohnraum zu schaffen, die Planungen waren von Pragmatismus geprägt. Ende 1954 hatte die Stadt wieder knapp über 24.000 Einwohner. Zwar waren Wesels Baudenkmäler zumeist verloren, doch die Erinnerung an das alte Wesel und die lange Geschichte der Stadt waren damit nicht ausgelöscht. Der Zweite Weltkrieg hatte dieser Geschichte allerdings ein schreckliches Kapitel hinzugefügt. Von den Ereignissen der Februartage des Jahres 1945 zeugen viele Berichte der Überlebenden – und bis heute gehört die Erinnerung an Tod und Zerstörung zur öffentlichen Gedenkkultur der Stadt Wesel.